Das pralle Leben feiern solange es geht
Monika Harbich genießt Leben im Haus am Zeisigwald / Mit über 80 Jahren den Alltag aktiv gestaltet
Monika Harbich packt an. Gelassen und mit geübten Fingern legt die 81-Jährige Wäsche zusammen. Einfach so. An bis zu vier Tagen die Woche. „Halt so, wie ich gebraucht werde“, schmunzelt die Seniorin. Seit 2018 lebt die gelernte Friseurin im Haus am Zeisigwald (HZW). Letzteres ist eine Pflege-Einrichtung der Stadtmission Chemnitz „und das ist“, sagt ‚die Moni‘, „eine der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe.“
„Machen wir uns nichts vor“, sagt die gebürtige Chemnitzerin und verwandelt schwungvoll ein gewaschenes Unterhemd in eine Wäsche-Kunststück im exakten A4-Format: „Wer sich zu Hause pflegen lässt, steckt zurück.“ Es sei nur natürlich, dass sich betagte Eltern zweimal überlegen, welchen Handgriff sie ihren Kindern zumuten wollten. „Wir hatten das schon mit der Tochter besprochen, da waren wir beide noch ganz gesund.“ 2006 war ihr Mann, nach langer schwerer Krankheit, in einem Dresdner Krankenhaus gestorben. Einige Zeit später war dann eine Operation an der Hüfte schiefgelaufen und das folgende Langzeit-Antibiotikum hatte ihre Leber zerstört. Von da an war es ein kurzer Weg, aus der gemeinsamen Wohnung im Yorck-Gebiet in die nahgelegene Einrichtung der Stadtmission.
Drei Enkel und einen Urenkel hat die rüstige Seniorin und Bilder ihrer Familie schmücken das heimelige Zimmer im dritten Stock des HZW. Zwar habe sie ein inniges Verhältnis zur Familie der einzigen Tochter, „aber, wenn ich das dritte Mal etwas aus dem Kühlschrank brauche, muss ich hier kein schlechtes Gewissen haben, nach der Pflege zu rufen.“ Überhaupt ist Monika stolz auf ihr kleines Reich: „Es ist ein bisschen wie eine Studentenbude“, sagt sie. Eben ist ein Haustechniker dabei, einen gigantischen Fernseher an die Wand zu schrauben. Der ist besser für die Augen, schmunzelt Monika und weißt einladend auf ihre gemütliche Couch. Im Kühlschrank wartet ein „Pikkolöchen“ und die Kaffeemaschine blubbert gemütlich vor sich hin.
„Wenn im Haus nichts los ist, ist Fernsehen eine gute Sache“, sagt Harbich. Da kommen dann schon mal die Freunde aus der benachbarten Wohngruppe vorbei.
„Viele sind es leider nicht mehr“, sagt sie: „Vor Corona waren wir noch eine wilde Truppe.“ Das Virus habe dafür gesorgt, dass es derzeit nur noch zwei Bekannte gebe. „Aber das ändert sich von Tag zu Tag“, sagt die alte Dame. In der vergangenen Woche sind zehn neue Bewohner:innen im HZW eingezogen. „Wir wissen alle, dass wir hier nicht mehr auf unseren eigenen Füßen hinaus gehen“, aber bis dahin könne man es sich ja schließlich gut gehen lassen. Sprichts und steuert ihren automatischen Rollstuhl („Die Hüfte …“), in gewagtem Tempo durch die Gänge in Richtung Hausgarten. Zeit für eine Raucherpause. Zehn bis zwölf dieser Sargnägel würde sie an jedem Tag genießen. Aber: „Was soll’s, wir leben nur einmal.“
Und dann war da noch die Sache mit der Wäsche: „Ich kann schließlich nicht den ganzen Tag Rommee spielen“, fasst Monika Harbich zusammen. Zwischen Waschmaschine und Bügelbank habe ich eine Aufgabe und es ist ein tolles Team.“ Das bestätigt Wäscherei-Mitarbeiterin Liane Hillich: „Ohne unsere Moni wären wir hier total aufgeschmissen.“ „Jetzt ist es Zeit für einen Kaffee unter Kollegen“, ergänzt Monika Harbich und steuert ihren Rollstuhl mit Schwung an den Küchentisch mit der rot karierten Decke.
Menschen, die sich für den Wechsel in eine Pflegeeinrichtung der Stadtmission interessieren, rät Monika Harbich, nicht zu lange zu warten: „Das Leben ist schön“, sagt sie und es sei ein tolles Gefühl, in jeder Minute umsorgt zu sein, statt sich zu Hause, mit schmerzenden Gliedern, durch die Wohnung zu schleppen und zu hoffen, dass der Sohn oder die Tochter nach Feierabend vorbeischauen, um das Essen zu richten.