28. November 2023
Männer weinen heimlich
Neue Schutzwohnungen der Stadtmission Chemnitz bieten Rückzugsraum für Männer in Not
Robert ist 47 Jahre alt. Der gebürtige Chemnitzer ist groß gewachsen. Das T-Shirt spannt über dem Brustkorb. Beide Armen sind tätowiert. Seit drei Jahren besucht er eine Psychotherapie. Robert lebt allein. Seine Kinder, Sarah (11) und Mike (7) wohnen bei ihrer Mutter im Kreisgebiet. Robert erzählt, dass er die Demütigungen und Sticheleien, die stete Kontrolle von Post und Finanzen durch seine Frau nicht mehr ausgehalten hat. Zerbrochen sei er daran, die Anforderungen seiner Familie nicht mehr erfüllen zu können. Um seine Kinder zu schützen, habe er über Jahre versucht, dennoch mit der Situation fertig zu werden.
„Für meine Ex war es wichtig, Nachbarn und Freunden eine ‚perfekte‘ Familie zu bieten“, erzählt Robert. „Urlaub, Haus, das zweite Auto, Musikunterricht für die Kinder. Das Geld hat vorne und hinten nicht gereicht.“ Dabei sei es für seine ehemalige Partnerin nicht in Frage gekommen, selber zu arbeiten. „Du kümmerst dich nicht um die Kinder, dann sieh wenigstens zu, dass das Geld reicht.“
Irgendwann sei der Punkt gekommen, an dem die Situation aus dem Ruder gelaufen sei und er es nicht mehr ausgehalten habe. Der Besuch beim Hausarzt habe zu weiteren Untersuchungen und schließlich zum Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik geführt. Noch während der Reha hatte seine damalige Frau die Scheidung eingereicht.
„Das war mein Glück“, sagt Robert heute, auch wenn, nach wie vor, die wenigsten seiner Freunde über die wahren Gründe der Trennung Bescheid wüssten. „Ein Burnout“, sagt Robert, „ist für Männer irgendwie peinlich.“ Über die ständigen Erniedrigungen, die er durch seine Exfrau erfahren hatte, habe er erst recht nicht sprechen können. Dass sich hinter dem attraktiven Äußeren seiner ehemaligen Partnerin eine narzisstische Persönlichkeit verbirgt, habe auch er schließlich erst im Laufe der Ehe erfahren.
„Narzissten sehen sich selbst als die wichtigste Person im Universum. Zudem fehlt ihnen jedes Mitgefühl für die Bedürfnisse andere Personen“, erklärt Peter Wild. Die Partnerschaft mit einem Narzissten grenze an Sklaverei, denn es sei unmöglich, den maßlosen Forderungen solcher Personen zu entsprechen. Peter Wild leitet die Sozialen Dienste der Stadtmission Chemnitz. Zu deren Angeboten zählen ab Ende November auch Schutzwohnung für Männer, die von häuslicher Gewalt bedroht sind.
Dass Robert kein Einzelfall ist, bestätigt eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugendliche. Nach offiziellen Angaben sind rund 20 Prozent aller Opfer häuslicher Gewalt Männer. Davon, dass die Dunkelziffer wesentlich höher liegt, ist Wild überzeugt.
Ein Angebot, das in dieser vermeintlich ausweglosen Situation einen Schutzraum und Perspektive bietet, ist der Männerschutz der Stadtmission Chemnitz. Nicht nur die Schutzwohnungen liegen anonym, verborgen im Stadtgebiet. Auch der Kontakt zu den Sozialarbeitenden sei unauffällig und ohne Umwege möglich. Ziel des Angebotes ist es, Männern einen räumlichen Abstand von ihrer akuten Situation zu bieten, sie zu begleiten und zu unterstützen, um so die Grundlage für einen Neustart zu schaffen.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
