04. Oktober 2023 - Stadtmission Chemnitz begleitet Abschied vom Leben / Mit Herz und Konzept gegen „Tod von der Stange“
Wenn ein Mensch stirbt, fühlen oft nicht nur die nächsten Angehörigen ein beklemmendes Gefühl. „Dabei gehört der Tod doch zum Leben dazu“, sagt Annett Weder. Seit fünf Jahren begleitet die 49-Jährige das Leben und Sterben der Bewohner:innen im „Haus am Wald“, einer Alten- und Pflegeeinrichtung der Stadtmission in Grüna bei Chemnitz.
Als Palliativbeauftragte hilft Weder den alten Menschen und deren Angehörigen dabei, besser mit dem Abschied vom Leben zurecht zu kommen. Ihre Erfahrungen hat die Hospizhelferin in einem Handbuch zusammengefasst. Weder ist stolz darauf, dass ihr Leitfaden auch in anderen Einrichtungen der Stadtmission dazu beiträgt, den Umgang mit dem Ende des Lebens professioneller zu gestalten.
Der Frage, ob das Thema „Tod“ Menschen, die in der Pflege arbeiten, besonders belastet, beantwortet Annett Weder mit einem Hinweis auf die Auswirkungen der Pflegereform. Diese habe dafür gesorgt, dass viele alte Menschen, oft bis an die Schwelle des Todes, zu Hause betreut werden. In der Folge gehöre die Begegnung mit dem Sterben, für Menschen die in der Pflege arbeiten, beinahe zum Alltag. Es sei nicht ungewöhnlich, dass neue Bewohner:innen im Laufe weniger Tage sterben. Diesen Umstand bedauert die Palliativbeauftragte, denn mit einem würdigen Abschied habe diese Form des „Abwickelns von Leben“ wenig zu tun.
Im Kontakt mit Menschen, die planen, für ihre Angehörigen einen Pflegeplatz im „Haus am Wald“ zu reservieren, versucht Annett Weder daher auch, einen Eindruck von den Vorstellungen, im Blick auf den absehbaren Tod des neuen Bewohners, in Erfahrung zu bringen. In den Gesprächen zeige sich häufig, dass die Angehörigen zwar mit dem Verstand erfasst haben, dass das Leben des alten Menschen zu Ende geht. Eine Art Selbstschutz sorge aber oft dafür, dass die Gefühle und Vorstellungen des betreffenden Menschen keinen oder nur geringen Raum in diesen Überlegungen fänden.
„Da ist dann Fingerspitzengefühl gefragt“, sagt Weder, die Wert darauf legt, in ihren Gesprächen einen Eindruck von den individuellen Wünschen der neuen Bewohner:in zu bekommen, Ängste zu nehme und Schmerzen zu lindern. In letzterem Fall sorgt ein spezialisierter Arzt für die Auswahl und angemessene Dosierung der Medikamente. Bevor es aber so weit kommt, hat Annett Weder Stunden damit verbracht, den alten Menschen zu umsorgen, mit ihm zu sprechen und ihn, so nennt es die 49-Jährige, „anzunehmen.“
„Wir legen großen Wert darauf, die Persönlichkeit unserer Bewohner zu achten“, sagt Weder. Egal wie gebrechlich ein Mensch geworden sei, hinter dem runzligen Gesicht und den verwirrten Gedanken stehe immer ein erfülltes Leben: „In unseren Einrichtungen leben Menschen aus allen Bevölkerungsschichten“, sagt Weder. Die Alten- und Pflegeeinrichtungen der Stadtmission bieten eine letzte Wohnung für Persönlichkeiten, die ein Leben lang gearbeitet oder für ihre Familien gesorgt haben. „Bei uns gibt es keine ‚Alten auf einem Abstellgleis‘“, fasst Anett Weder zusammen: „und wir Jüngeren tun gut daran, nicht zu vergessen, dass auch uns der Tod am Ende des Weges erwartet.“